Prostata-Karzinom
Die kurative Standardtherapie des Prostatakrebses ist die radikale Prostatektomie suprapubisch deszendierend (per Bauchschnitt), selten perineal (per Dammschnitt). In frühen Stadien kann der Eingriff mit sehr gutem Erfolg auch potenzerhaltend durchgeführt werden.
Zudem führen wir in der Klinik für Urologie und Kinderurologie in selektionierten Fällen auch die Brachytherapie des Prostatakarzinoms durch. Hierbei werden ultraschallgesteuert dauerhaft Strahlenquellen in die Prostata eingepflanzt. Zudem besteht im Klinikum Fulda die Möglichkeit der perkutanen Strahlentherapie (Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie). Für fortgeschrittene Erkrankungsstadien stehen die antihormonelle Therapie, die Chemotherapie, moderne Medikamente wie Zytiga (Abirateron) und Xtandi (Enzalutamid) sowie die Therapie mit Xofigo (Alpharadin Radium 223) zur Verfügung.
Zur Entscheidungsfindung hinsichtlich der optimalen Therapieform bietet die Klinik für Urologie und Kinderurologie gemeinsam mit den Kollegen der Klinik für Strahlentherapie und Radionkologie eine Prostatakarzinomsprechstunde an, welche jeden Freitag um 14:00 Uhr stattfindet. Ebenfalls freitags findet die interdisziplinäre Konferenz unseres Prostatakarzinomzentrums statt, in der für jeden Patienten mit einem Prostata-Karzinom die für ihn optimale individuelle Therapie festgelegt wird. Eine weitere Entscheidungshilfe kann ein Video über eine Fernsehsendung mit Prof. Dr. Kälble (02/2015: HR Service: Gesundheit) sein, in der die Geschichte eines Patienten vor und nach radikaler Prostatektomie nachvollzogen wird.
In den letzten 15 Jahren führten wir ca. 2.500 radikale Prostatektomien durch, wovon ca. 5% von perineal, d.h. vom Damm operiert wurden. Das letztgenannte Verfahren wird bei Patienten mit einem sehr frühen Tumorstadium angewandt, bei denen ausgeprägte Voroperationen im Bauchraum vorliegen. Seit Einführung der Brachytherapie wird das Operationsverfahren vom Damm nur noch selten durchgeführt. Die meisten Patienten werden suprapubisch, d.h. per Bauchschnitt operiert, wobei bei frühen Erkrankungsstadien die für die Potenz wichtigen Gefäß-Nervenbündel (je nach Tumorausdehnung ein- oder beidseitig) erhalten werden können.
2008 erfolgte die Zertifizierung unserer Klinik als Prostatakarzinomzentrum der Deutschen Krebsgesellschaft, so dass wir über jährliche Befragungen unserer Patienten und deren niedergelassenen Urologen die Ergebnisse unserer Radikalen Prostataentfernungen aktualisieren.
Die Rate an Anastomosenengen (Nahtenge zwischen Harnröhre und Harnblase) beträgt lediglich 0,9%, die Rate an Wundheilungsstörungen 1,7%, wobei die Vorgabe der Deutschen Krebsgesellschaft bei 5% liegt. Ebenfalls gibt die Deutsche Krebsgesellschaft die Rate für befallene Schnittränder bei organbegrenzten Prostatakarzinomen (pT2) mit 10% an, wobei diese R1-Rate in unserem Hause für die Zeitdauer des Bestehens des Prostatakarzinomzentrums bei nur 5,8% liegt.
Ebenso erfreulich: Wir können auch im Vergleich zur internationalen Literatur über überdurchschnittlich gute funktionelle Ergebnisse berichten. Die Rate der vollständig kontinenten Patienten (die 0-1 Sicherheitsvorlage tragen) liegt bei ca. 90%. Bei Patienten, bei denen die für die Potenz zuständigen Nerven beidseitig erhalten werden konnten, variieren die Kontinenzraten je nach Altersklassen zwischen 90 und 100%, bei Patienten unter 55 Jahren liegt die Kontinenzrate unabhängig vom Nerverhalt bei ebenfalls 100%. Patienten, die postoperativ eine hochgradige Inkontinenz zeigen, sind erfreulicherweise eine Rarität. Auch diesen kann jedoch geholfen werden, beispielsweise durch Implantation eines künstlichen Schließmuskels, der die Inktontinenz meist komplett beseitigt.
Die Potenzraten nach nerverhaltender radikaler Prostatektomie sind differenziert zu betrachten. Bezogen auf ein präoperativ vollständig potentes Kollektiv, welches von uns mindestens zwei Jahre nachbeobachtet werden konnte, zeigen sich, je nach dem wie eine geschlechtsverkehrsfähige Erektion interpretiert wird, bei beidseitgem Nerverhalt Potenzraten ohne Hilfsmittel zwischen 40% (> 65 Jahre) und 70% (< 55 Jahre). Bei einseitigem Nerverhalt liegen die Raten für geschlechtsverkehrfähige Erektionen zwischen 18% (> 65 Jahre) und 80% (< 55 Jahre). Die noch bessere Potenzrate bei einseitigem Nerverhalt in der Altersgruppe unter 55 Jahren hängt damit zusammen, dass hier relativ kleine Untergruppen verglichen werden. Auf alle Fälle erkennt man, dass der wichtigste Faktor für das Wiedererlangen der Potenz postoperativ das Alter des Patienten bei der Operation darstellt. Junge Patienten und ein beidseitiger Nerverhalt ist (als Faustformel) „mehr als doppelt so gut“ wie ein einseitiger Nerverhalt. Die Chance zur Wiedererlangung der Potenz ist bei beidseitigem Nerverhalt für einen jungen Patienten (<55 Jahre) fünfmal größer als für einen Patienten, der zum Zeitpunkt der Operation älter als 65 Jahre war. Aufgrund der standardisierten OP-Technik sind nur noch in Ausnahmefällen Bluttransfusionen notwendig. Die Möglichkeit einer präoperativen Eigenblutspende ist dennoch gegeben.