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Selbstbestimmt, authentisch und wahrhaftig

Siegfried Münster: Mit der Palliativ-Behandlung endet das Leben nicht, sondern es beginnt ein neuer Abschnitt

„Mit den Menschen ehrlich zu reden und ihnen damit eine Perspektive zu geben, ist das, was ich versuche: Du kannst aus Deinem Leben immer noch etwas machen. Geh auf Reisen, geh an einen Ort, der Dir wichtig ist. Gestalte, was Dir möglich ist.“ Solchen Rat gibt Siegfried Münster. Und nicht obwohl, sondern weil er in der Palliativpflege arbeitet, gelingt es ihm, die Patienten und ihre Angehörigen vom selbstbestimmten Leben zu überzeugen. Denn – so lautet seine Erfahrung aus der Pflege schwer kranker Patienten – das Leben endet nicht mit einer Palliativ-Behandlung, sondern mit ihr beginnt ein neuer Abschnitt. Und wenn die Menschen es richtig angehen, dann leben sie häufig freier und zwangloser, selbstbestimmter und erfüllter, authentischer und wahrhaftiger als je zuvor.

Palliativmedizin sei eine Frage der inneren Haltung und auch der Wahrhaftigkeit sich selbst gegenüber, sagt Siegfried Münster: „Dem Patienten, seiner Familie und seinen Freunden geht es besser, und es wird ihnen leichter ums Herz, wenn sie alle den Palliativgedanken verinnerlicht haben. Wenn sie sich mit der eigenen Endlichkeit befasst haben und die palliative Unterstützung annehmen können.“

Pallium – ein Mantel für Körper, Geist und Seele

Pallium ist das lateinische Wort für Mantel – der Körper, Geist und Seele des Patienten schützt. Indem die vielfältigen Symptome der Erkrankung, seien es Schmerzen, Übelkeit oder Appetitlosigkeit, so kontrolliert werden, „das der Mensch dorthin kommen kann, wo er hin möchte“, sagt Siegfried Münster. Die Palliativbehandlung beginnt, wenn die Heilung einer lebensbedrohlichen Erkrankung nach menschlichem Ermessen nicht mehr möglich ist. Für viele dieser Patienten ist das aber nicht das Ende des Weges. Die Palliativabteilung ist keine Sterbe-Station. Denn viele Patienten mit unheilbaren Erkrankungen haben durchaus eine längere Lebenserwartung als allgemein vermutet wird.

Nicht nur Krebsleiden, sondern auch Herzkrankheiten und neurologische Erkrankungen können „unheilbar“ sein. Die Palliativbehandlung zielt auf die Unterstützung des ganzen Menschen und seines Umfelds, damit alle möglichst gut miteinander leben können. Im Gegensatz zur kurativen Behandlung, bei der sich der Mensch, der auf Heilung setzt, der – vielfach schweren – Therapie umfassend unterordnen muss.

Palliativ-Patienten fahren in den Urlaub oder gehen nach Hause

Die Palliativ-Patienten des Klinikums Fulda fahren in den Urlaub, weil sie endlich schmerzfrei sind, oder gehen wieder nach Hause, weil ihre Beschwerden erfolgreich gelindert werden konnten. Und auf der Station dürfen Palliativ-Patienten auch mal rauchen, Kuchen oder Eis essen und Wein trinken.

Siegfried Münster wechselte aus der Wirtschaft in die Pflege

Siegfried Münster hat Kaufmann gelernt und in einem Musikhaus eine Leitungsposition inne. 1992, mit Mitte dreißig, wurde ihm klar: „Das kann es nicht gewesen sein. Ich wollte auf der Seite der Helfenden stehen. Ich wollte in einen sozialen Beruf.“ Siegfried Münster entschied sich Krankenpfleger zu werden, absolvierte drei Jahre später sein Staatsexamen, stieg im Klinikum Fulda rasch in eine Leitungsposition auf, qualifizierte sich über zwei Jahre berufsbegleitend zum Fachpfleger für Onkologie, arbeitete viele Jahre in der Tumorklinik und im onkologischen Zentrum am Klinikum und ist seit Mitte 2019 die koordinierende Fachpflegekraft im onkologischen Zentrum des Klinikums Fulda. In seiner Freizeit qualifizierte er sich weiter zum Pastoraltherapeuten ISA um seine selbst gestellten seelsorgerischen Aufgaben besser umsetzen zu können.

„Sehr gute Palliativversorgung im Klinikum“

„Wir haben eine wirklich sehr gute Palliativversorgung im Klinikum“, sagt Siegfried Münster. Aber nicht nur im Klinikum, überall spüre er deutliche Veränderungen. Medizin wird neu gedacht. In der Tumorklinik werde der gemeinsame Dienst über die klassischen Berufsgruppen hinweg von einem gut qualifizierten und empathischen Team von Pflegenden, Ärzten, Psychoonkologinnen und Sozialhelfer/innen am Patienten gelebt. In der Palliativversorgung sei die Pflege häufig „die treibende Kraft“, weil sie die meiste Zeit des Tages mit den Patienten und ihren Angehörigen teile. Aber nicht nur im Klinikum, in der Stadt und der Region habe sich viel verändert. Es gebe ein gut organisiertes ambulantes Palliativnetz in Osthessen und viele ehrenamtliche Helfer.

Die Akzeptanz der eigenen Endlichkeit fällt schwer

Schwer, sagt Siegfried Münster, sei häufig für seine Patienten und deren Angehörige der „Switch“, das Umschalten vom Hoffen auf Heilung hin zur Akzeptanz der eigenen Endlichkeit.
Den Patienten und auch den Angehörigen sei es meist schon sehr klar, dass es keine Heilung mehr geben kann, aber häufig wollten sie es einander nicht eingestehen. Aus dem Gefühl heraus den anderen zu schonen, obwohl sie ihn dadurch mit der Last einer Lüge beschwerten.

Sicher gebe es auch Patienten, die die Wahrheit nicht annehmen wollten, die fragten: „Warum ich?“. Die sich beklagten, weil sie doch ein Leben lang gearbeitet haben und ihre Erkrankung nun als schlechten Lohn empfinden. Manche geraten in Glaubenszweifel, hadern mit ihrem Schicksal und manchmal auch mit ihrem Gott.

Hoffnung vermitteln, die über die Heilung hinausreicht

Es sei ihm wichtig, sagt Münster, den Menschen, die mit ihrem Schicksal hadern, dabei zu helfen, „aus einer solchen Rebellion rauszukommen“, indem er da sei, mit den Menschen rede, auf ihre Fragen eingehe und sich immer wieder mit viel Geduld einbringe. Das Herausfordernde sei es, nach einer Änderung des Therapieziels in eine palliative Versorgung und der enttäuschten Hoffnung auf Heilung jene Hoffnung zu vermitteln, die über die kurative, die heilende Therapie hinausgehe. Haben die Menschen aber umgeschaltet auf den Palliativmodus, werde der Lebensweg für sie freier und lebenswerter.

Siegfried Münster empfängt viel Dankbarkeit in seinem Beruf. Die gibt ihm Kraft und ist ihm Ansporn. Sein Beruf bereitet ihm Freude, weil er andere Menschen unterstützen kann: „Ich bin selbst ein total dankbarer Mensch geworden, weil ich aus meiner Aktivität und Vitalität heraus, die mir geschenkt wird, für andere da sein kann.“

Ganz wichtig ist ihm dabei auch sein Glaube. „Die Inspirationen aus meinem christlichen Menschenbild schenkt mir die Kraft, dass ich die Lebenssituation von anderen Menschen annehmen kann und sie in diesem Sinne ein Stück des Weges begleiten kann“, so Siegfried Münster. „Und mein Beruf stärkt mein Vertrauen und meine Persönlichkeit. Ich traue mir zu, Gespräche zu führen. Ich traue mir zu, wahrhaftig zu sein.“

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